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VW XL1: So fährt der Silberfisch auf Sparflamme

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Flach wie ein Sportwagen: Der VW XL1 ist niedriger als jeder Lamborghini.

Das Ufo ist gelandet – dieses Gefühl zumindest stellt sich ein, wenn man zur ersten Testfahrt im VW XL1 startet. Nicht nur, weil das Wolfsburger Sparwunder mit einem Plug-In-Hybridantrieb erst einmal elektrisch und deshalb praktisch geräuschlos vom Hof fährt; sondern auch, weil alle anderen Autofahrer diese silberne Flunder anstarren, als käme sie (und womöglich auch ihr Fahrer) tatsächlich von einem anderen Stern. Selbst ein Ferrari oder Lamborghini verblasst neben jenem Auto, mit dem VW-Patriarch Ferdinand Piech jetzt nach mehr als zehn Jahren sein Versprechen wahr macht und den Beweis antritt, dass man mit weniger als einem Liter Diesel mehr als 100 Kilometer weit fahren kann.

Nur schauen ist allerdings zu wenig, um die Faszination der Flunder zu ermessen. Denn die stellt sich erst beim Fahren vollends ein. Mit einer geradezu diebischen Freude schaut Entwicklungsingenieur Steven Volckaert dem Fahrer über die Schulter auf den Bordcomputer: Schon 20 Kilometer hat der XL1 abgespult und dabei wurde noch kein einziger Tropfen Sprit verbraucht. Trotzdem schnürt das Auto flott durch die Stadt, ist handlich und wendig und surrt auf der Landstraße locker mit im Verkehr. Als sich beim Kickdown zum Überholen mit einem vernehmlichen Nageln der Dieselmotor zum Dienst meldet, fährt der Silberfisch trotzdem weiter auf Sparflamme: Bei der flotten Landpartie, während der beide Motoren wie bei einem normalen Hybridwagen immer mal wieder mit vereinter Kraft arbeiten, die E-Maschine beim Bremsen zum Generator wird und den Lithium-Ionen-Akku lädt, der XL1 auf Gefällstrecken segelt – während sich also die Steuerelektronik stets für die optimale und effizienteste Betriebsstrategie entscheidet, liegt der Momentan-Verbrauch selten bei mehr als drei Litern und der Mittelwert klettert auch nach mehr als einer Stunde und mehr als 60 Kilometer Fahrt nie über zwei Liter. Im Gegenteil: 1,8, 1,6 und zwischendurch sogar mal 1,4 Liter meldet der Bordcomputer. Der Begleiter aus der VW-Konzernforschung ist zufrieden. „Für eine Fahrt in der Praxis statt auf dem Prüfstand ist das ein respektables Ergebnis.“

Schnittig durch den Wind: mit einem cW-Wert von 0,189 ist der XL1 der aktuelle Weltmeister im Windkanal.

Um das zu erreichen, haben die Niedersachsen alle Register gezogen. Das beginnt beim Luftwiderstand, der den XL1 in seine fließende Form zwingt. Die beiden Insassen sind, um die Grundfläche möglichst gering zu halten, leicht versetzt nebeneinander platziert. Daher ist der XL1 sehr viel schmaler als ein VW Polo und obendrein flacher als jeder Porsche. Das schlanke Mobil geht im Straßenbild fast verloren. Damit man überhaupt ins Auto gelangt, gibt es spektakuläre Flügeltüren konstruiert, die weit ins Dach ragen und tatsächlich einen bequemen Zustieg ermöglichen.

Vorne breit, hinten schmal und ungewöhnlich flach, das ist die aerodynamisch optimale Form. Weil die Karosserie zudem noch glatt ist wie ein Babypopo, nicht nur der Unterboden, sondern auch die Hinterräder verkleidet sind und die Außenspiegel durch Kameras ersetzt wurden, kommt der XL1 auf einen cW-Wert von 0,189 und wird damit zum Weltmeister im Windkanal.

Zum schnittigen Design zwischen Tropfenform und Haifisch-Silhouette gibt es eine Leichtbau-Konstruktion, bei der um jede Gramm gerungen wurde: Die Karosserie ist komplett aus Karbon gebacken, die Scheiben sind nicht aus Glas, sondern erstmals aus Polycarbonat gefertigt, die Schalensitze wiegen nur noch halb so viel wie üblich, die Innenverkleidung besteht aus federleichten Holzfasern und selbst viele Fahrwerksteile hat VW aus Kohlefaser statt Aluminium oder Magnesium hergestellt. Resultat des Aufwands: Mit 795 Kilo wiegt der XL1 eine halbe Tonne weniger als ein VW Golf.

Das alles jedoch bringt am Ende wenig, wenn der Motor zuviel Durst hat. Deshalb haben die Entwickler für den XL1 den bis dato effizientesten Antrieb des Konzerns entwickelt: Ein Diesel-Plug-In-Hybridsystem, das an der Steckdose tankt und mit einer 27 PS starken E-Maschine die ersten 50 Kilometer überraschend flott elektrisch fahren kann – wenn’s sein muss, sogar mit bis zu 120 km/h. Erst wenn die Akkuladung zur Neige geht – oder wenn es der Fahrer etwas eiliger hat – schaltet sich der Zweizylinder-Selbstzünder zu, der aus 0,8 Litern Hubraum 48 PS schöpft. Der Verbrenner nagelt laut und vernehmlich und sitzt dem Fahrer außerdem quasi im Nacken. Im Team kommen beide Motoren auf 69 PS und 140 Nm Drehmoment, die absolut alltagstaugliche Fahrleistungen ermöglichen: So beschleunigt der XL1 in 12,7 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht solide 160 km/h. In einem VW Up ist man kaum schneller unterwegs, braucht aber mehr als doppelt so viel Sprit.

Wie sparsam allein der Antrieb ist, verdeutlicht VW Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg mit einem weiteren Öko-Projekt: Im nächsten Jahr soll der Plug-In-Hybrid aus dem XL1 in einen mit konventionellen Mitteln optimierten VW Up eingebaut werden. Als Normverbrauch strebt Hackenberg einen „niedrigen Eins-Komma-Wert“ an. Und die 0,9 Liter, die VW in der Zulassung des XL1 ausweist, seien noch nicht einmal die ganze Wahrheit, sagt Hackenberg: „Tatsächlich verbraucht der XL1 im Zyklus sogar nur 0,83 Liter.“ Aber weil die Behörden nur eine Stelle nach dem Komma vorsehen, müsse der Wert aufgerundet werden. „Vielleicht sollte die Bürokratie den Technikern folgen, wenn wir uns in so kleinen Dimensionen bewegen“, sagt Hackenberg. 0,83 statt 0,9 – das sind schließlich noch einmal fast zehn Prozent weniger.

Aktuell verkündet VW, dass eine Kleinserie von 150 XL1 gebaut werden solle. Zum Kaufpreis oder einer Leasingrate schweigen sich die Niedersachsen allerdings noch aus. Die Technik des XL1 jedoch soll in Zukunft ausgiebig genutzt werden. „Das ist die Blaupause für den Plug-In-Hybrid im modularen Querbaukasten“, sagt Hackenberg. Auch wenn die E-Maschine dort mehr Leistung habe und statt mit einem Zweizylinder-Diesel erst einmal mit einem Vierzylinder-Benziner gekoppelt werde, seien die Erfahrungen mit dem XL1 geradezu Gold wert für die Großserienanwendung. „Hier haben wir gelernt, was wir dort in der Großserie umsetzen können.“

Kleines Kraftpaket: Wenn der Akku leer ist, springt ein Diesel mit zwei Zylindern und 0,8 Liter Hubraum ein.

Mittlerweile währt die Testfahrt mit dem XL1 schon länger als zwei Stunden. An die ungewöhnliche Form und das eigenwillige Motorengeräusch hat man sich ebenso gewöhnt wie an die Lenkung ohne Servohilfe und den Blick aus der Porsche-Perspektive – und so langsam fühlt sich das Auto kaum mehr anders an als ein VW Jetta Hybrid, der ein bisschen zu heiß gewachsen wurde. Damit man nicht vergisst, was für ein besonderes Fahrzeug man fährt, muss man deshalb immer mal wieder auf den Bordcomputer schauen, der sich am Ende der Testfahrt bei einer Verbrauchsangabe von 1,6 Liter eingependelt hat. Und zwar ohne, dass wir den Akku ganz leer gefahren hätten. „Bei mehr als 30 Kilometer Restreichweite hätte das für einen Gesamtwert von 1,2 oder 1,3 Litern gereicht“, sagt Entwickler Volckaert.

Mehr noch als über den Blick auf den Bordcomputer freut sich der Ingenieur am Ende der Testfahrt allerdings auf den Besuch an der Tankstelle. Was Otto-Normal-Fahrern bisweilen die Zornesröte ins Gesicht treibt, entlockt ihm ein Lächeln: „500 Kilometer fahren und danach für weniger als 15 Euro volltanken – allein dafür hat sich die Arbeit am XL1 schon gelohnt.“


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